2007

JOHNNYS JIHAD von Marc Pommerening
WIENER FASSUNG - URAUFFÜHRUNG
AUFTRAGSWERK/EIGENPRODUKTION THEATER DRACHENGASSE

Regie: Andrea Hügli
Ausstattung: Nikolaus Granbacher
Rechte bei: Marc Pommerening
Es spielen: Andreas Erstling Volker König Isabella Wolf   
Premiere: 21. Mai - 23. Juni 2007
Theater Drachengasse

Dass einer Kreuz und fünfzig Sterne gibt
für einen halben Mond -

Was trieb ihn an, den "american taliban" John Walker Lindh, der als Gotteskrieger aus Kalifornien Ende 2001 vor die Kameras der Weltöffentlichkeit stolperte und dessen bärtig-verdrecktes Gesicht zum Feindbild der verstörten amerikanischen Öffentlichkeit herhielt? Wie wurde der "sweet sensitive boy" zum Geisterfahrer auf dem "american way of life"? Wieso vertauscht einer das multikulturelle Idyll von Marin County freiwillig mit der fundamentalistischen Zwangsgesellschaft der Taliban? Und wieso muss Lindh seinen Eigensinn, nach rechtlich fragwürdigem Prozess, mit 20 Jahren Gefängnis büßen? Sagen wir so: In den Arenen des Imperiums brauchts dich als Pausenfüller. Nach Guantanamo und Abu Ghraib erscheint der Fall Lindh als erster Sündenfall des sogenannten freien Westens im Kampf gegen den Terror.
Die erste Fassung von Johnnys Jihad wurde 2004 beim Kunstfest Weimar uraufgeführt. Für das Theater Drachengasse erarbeitet Marc Pommerening eine eigene Wiener Fassung, die die monströsen Vorgänge zum Kammerspiel für drei Personen verdichtet und zugleich lyrisch überhöht.

KRITIKEN:
Johnny Boy in der Wüste Afghanistan, Wüste, Krieg. Rechtsfreier Raum. Ein amerikanischer Taliban, ein CIA-Agent und ein General treffen aufeinander: Es ist die Nacht der Verhöre und der Folter, bevor der junge Gotteskrieger John Walker Lindh ins Blitzlicht der Öffentlichkeit treten wird, um die westliche Welt zu erschüttern. Mit der Uraufführung von Marc Pommerenings „Johnnys Jihad“ ist im Theater Drachengasse ein großer Wurf gelungen. Ein verblüffendes Theater-Erlebnis, das den kleinen Rahmen sprengt. Pommerening hat die von Phrasen zerdroschenen Diskussionen über Gut und Böse, die im CNN-Sprech um den Globus rasen, in eine antikisierende Blankvers-Form gegossen. Das sprengt Normen auf und ermöglicht nötige Distanz zum Dokumentarischen. Ein Rückgriff, der eine neue, zeitgenössische Diskussion auf hohem theatralischen Niveau – jenseits von moralischer Polarisierung – ermöglicht. Regisseurin Hügli beweist im Umgang mit dem Kammerspiel kühne, professionelle und sensible Qualitäten: Die perfekt aufeinander eingespielten Akteure (Andreas Erstling, Volker König, Isabella Wolf) sind konzentriert, sicher und glaubwürdig, sowohl was ihren Umgang mit der Sprache wie auch das spannungsgeladene Spiel betrifft. Sie stürmen die Bühne (Nikolaus Granbacher), durch die der ganze Abend zum stimmigen Ereignis wird. Ein kühles Klettergerüst, das im Einklang mit Nebel- und Lichteffekten sowohl die Enge einer Festung wie auch die Weite der Wüste suggeriert. Hingehen. Anschauen. KURIER, 23.05.2007

Im Feindesland Ein schüchterner 16-Jähriger auf der Suche nach seiner Identität. Die Eltern: geprägt von der Flower-Power-Generation. Das Umfeld: bürgerlich. Der Bub begeistert sich für einen Bürgerrechtler, in der Folge für den Islam, reist in den Mittleren Osten. Und gerät in eine gnadenlose Maschinerie, in die Mechanismen einander bekämpfender Mächte. Die Geschichte des „amerikanischen Taliban“ John Walker Lindh ist die Vorlage für Marc Pommerenings in Blankversen geschriebenes Stück „Johnnys Jihad“, dessen Wiener Fassung nun im Theater Drachengasse uraufgeführt wurde. Subtil ist die Regie, mitreißend das Darstellertrio (Andreas Erstling, Volker König, Isabella Wolf). Erschütternd ist die Aussage: Ein Idealist ist immer im Feindesland. Ein verstörender Abend, dessen negative Botschaft allerdings nicht unwidersprochen bleiben darf. WIENER ZEITUNG, 23.05.2007