2010
VORSTELLUNGSGESPRÄCH
NACH DEM ROMAN SCHULE DER ARBEITSLOSEN von JOACHIM ZELTER
Eigenproduktion Theater Drachengasse
Wiener Fassung/Regie: Andrea Hügli
Bühne/Kostüm: Nikolaus Granbacher
Visuals: Niki Griedl
Dramaturgie: Petra Freimund
Rechte bei: Whale Songs Hamburg
Es spielen: Melanie Herbe Volker König Andreas Petri
Wir danken Peter Hörmanseder von Maschek für die Stimme von Dr. Gröner.
Premiere: 10. Mai - 19. Juni 2010 Theater Drachengasse
Work is freedom!
Vorstellungsgespräch ist die Dramatisierung des Romans Schule der Arbeitslosen. Mit rabenschwarzem Humor entwirft Joachim Zelter darin eine Zukunftsperspektive, die an Huxleys Schöne neue Welt oder Orwells 1984 erinnert.
Wir schreiben das Jahr 2016, die Zahl der Arbeitslosen hat sich drastisch erhöht. Der Biologe Klawitter und die Buchhändlerin Karla bekommen eine letzte Chance, einen Job zu finden. Das Trainigsprogramm Sphericon soll aus ihnen Profis der Arbeitssuche machen. Jedes Mittel ist erlaubt, jede Finte oder List. Gefordert sind Akribie und Ausdauer, Nerven aus Stahl, Angriffslust. Denn: Nur einer kann gewinnen!
KRITIKEN:
VORSTELLUNGSGESPRÄCH von Joachim Zelter 10. Mai 2010, Premiere Mit der österreichischen Erstaufführung von Joachim Zelters „Vorstellungsgespräch“ (Wiener Fassung von Regisseurin Andrea Hügli) nimmt sich die Drachengasse des Themas der Arbeitslosigkeit an. Dabei handelt es sich nicht um eine Bestandsaufnahme der Gegenwart, sondern um eine Projektion in das Jahr 2016, wo Arbeit einen noch höheren Stellenwert bekommen wird, wo die Arbeit, die jeder hat, darin besteht, Arbeit zu finden… Zwei Durchschnittsbürger, dargestellt von Melanie Herbe und Andreas Petri in einem bemerkenswerten Raum von Nikolaus Granbacher, gelangen in die Hände eines gnadenlosen Aufpeitschers, grandios Volker König, der die zwei im Trainingsprogramm des Maßnahme-Centers „Sphericon“ für ein Vorstellungsgespräch „fitmachen“ will. Mit allen schmutzigen Tricks und aufgelegten Lügen – wen schert’s? Mit Zeitgeistgeschwätz, Demütigungen und den Einpeitschmethoden religiöser Fanatiker wird eine Zukunftsvision kreiert, die Georg Orwells „1984“ – den Staat der totalen Kontrolle und Überwachung – konsequent weiter denkt. Der Horror des Ganzen liegt in der Selbstverständlichkeit, mit welcher der Beamtenstaat die Kontrolle über das Leben übernommen hat, bis zur eigenwilligen Gestaltung einer Endlösung für Nichtangepasste (auf Nimmerwiedersehen nach Sierra Leone zur Mülltrennung) und der Verwertung des brachliegenden Potential arbeitsloser Oberschenkel (wenn alle Nutzlosen ohne Arbeit per Zwang radfahren müssten, könnten ungeheure Mengen an Energie lukriert werden…). Ein sehenswerter Abend, der von der Satire auf die Realität zurückführt und dazu anregt, sich Gedanken über die Arbeit an und für sich und über deren Wert in der Gesellschaft zu machen. Heiner Wesemann
WIENER ZEITUNG, 12.5.2010 Trainingsziel: Entpersönlichung Aufzählung Der Roman von Joachim Zelter heißt "Schule der Arbeitslosen", das Stück "Vorstellungsgespräch".Die Wiener Fassung von Andrea Hügli (die auch eine exzellente Inszenierung lieferte) kam jetzt am Theater Drachengasse zur österreichischen Erstaufführung. Das Trainingsprogramm Sphericon nimmt sich der Langzeitarbeitslosen an. Doch anstatt den Menschen zu helfen, sich zu entfalten, ist das Trainingsziel Entpersönlichung. Denn das System stimmt, ist man überzeugt. Also muss an den Leuten, die sich so schwer tun, ein Teil davon zu werden, etwas falsch sein. Und so lernen sie, ihren Lebenslauf zu fälschen, rücksichtslos alles zu entfernen, was im Weg steht, lernen zu lügen und zu betrügen. Und der Beste bekommt den Job. Die im Jahr 2016 angesiedelte bitterböse Geschichte wird von dem Schauspielertrio Melanie Herbe, Volker König und Andreas Petri in einem atemberaubenden Furioso dargeboten. Doch die Aufführung wäre nicht so perfekt ohne Bühnen- und Kostümgestaltung (Nikolaus Granbacher), ohne Licht- und Tontechnik (Johanna Franz/Gordana Crnko). Das brisante Thema wird brillant und überzeugend präsentiert. Von Lona Chernel
KURIER, 14.5.2010 Wenn der Faktor Arbeit in den Faschismus führt Kritik – Europa in nicht allzu ferner Zukunft. Die Arbeitslosigkeit erreicht Rekordausmaße. Doch eine Firma gibt den Jobsuchenden scheinbar Hoffnung: Sphericon. Hier werden sie trainiert, motiviert, manipuliert, hier wird ihnen eine „schöne neue Welt“ im besten diktatorischen Sinn vorgeschrieben. Und wer aus dem System ausbricht landet auf einer menschlichenMülldeponie. Mit „Vorstellungsgespräch“(nach dem Roman„Schule der Arbeitslosen“von JoachimZelter) nimmt sich das Wiener Theater in der Drachengasse eines gefährlich aktuellen Themas und eines beklemmenden Sujets an, das in der Fassung von Regisseurin Andrea Hügli unter die Haut geht. Hügli hat das Personal auf drei Personen reduziert und überhöht die Story immerwieder geschickt. Nikolaus Granbacher hat für diese stringente Inszenierung eine atemberaubende Bühnenlösung (inklusive Klettergerüst) gefunden; gespielt wird zwischen sehr gut und sicher. Melanie Herbe und Andreas Petri sind die „Opfer“; Volker König hat als irrer Arbeitsguru intensive Momente. Stark. – Peter Jarolin